Wasser ist Lebenskraft. Wasser lässt sich nicht aufhalten. Wasser bahnt sich stets seine eigenen Wege. Schon Fela Kuti brachte diese Symbolik in seiner Widerstandshymne „Water No Get Enemy“ zum Ausdruck. Und auch die Künstlerin Y’akoto hat eine starke Beziehung zum Wasser, zum Meer und zu seiner unbändigen wie aufweckenden Kraft. „Wenn ich am Meer bin und mich eine Welle umhaut“, sagt Y’akoto, die als Kind in der ghanaischen Hafenstadt Tema aufwuchs, und heute zwischen ihrer Wahlheimat Hamburg, Paris, Stockholm, Los Angeles und den afrikanischen Küstenmetropolen Dakar, Accra und Lome pendelt, “dann fühlt sich das an, als ob ich eine Ohrfeige von meinen Intuitionen bekomme“.
Diese Art von unsanfter Intuition: Sie steckte schon immer in Y’akotos weltläufiger Musik, die sich nie scheute, aufzurütteln, aufzuwecken, anzuecken. Das Meeres-Motiv beflügelt nun eine neue Sammlung von Songs, die mit dem Soul auch jede Menge Salz und Sinnlichkeit anspülen: „Mermaid Blues“ heißt Y’akotos neues, drittes Album.

Wenn der Ruf der Mami Wata lockt

Mermaid ist das englische Wort für Meerjungfrau. Y‘akoto hat sich mit Mythologie und Geschichte dieser sagenumwobenen Sirene oder Nixe – in Afrika auch Mami Wata oder „Weisheit des Ozeans“ genannt – beschäftigt. Halb Frau, halb Fisch kann sie in beiden Welten überleben. Sie gilt als höchst selbstbestimmt. Und unberechenbar. Das sind Eigenschaften, die auch Y’akoto zugeschrieben werden können. Und die die 29-jährige inzwischen mit eigenem Selbstbewusstsein akzeptiert: „Unsere Bedürfnisbefriedigungs-Gesellschaft verlangt von Frauen immer noch, dass sie süß, dauergrinsend und am besten noch das „girl next door“ sind. Das mag für viele funktionieren. Für mich aber ist das nichts“. So wurde Y’akoto ihrer dunklen, ausdrucksstarken Stimme wegen schon mit Jazz-Ikonen wie Nina Simone und Billie Holiday verglichen. Mit derselben Freiheit geht Y’akoto auch an das Songwriting. Warum den Erwartungen der Anderen entsprechen? Wenn doch ihre Musik den Respekt vor der Natur einfangen will, es hier um Kräfte geht, die „stärker sind als die gesamte Menschheit“?

Die Sängerin mit den spannenden Wurzeln

Die Tochter eines ghanaischen Highlife Musikers und einer deutschen Politologin nahm in ihrer Karriere nie den geraden, den einfachen Weg. Angespornt vom Vater hatte sie schon in Ghana, wo sie bis zum Alter von elf Jahren lebte, gesungen und Keyboard gespielt und bereits ihre Lehrerin trug ihr damals auf, jeden Tag ein neues Lied zu komponieren. Einen Plattenvertrag aber wollte sie nicht so schnell unterschreiben. Stattdessen studierte Y’akoto Tanzpädagogik. 2012 dann kam ihr Durchbruch: Gleich ihre erste Single „Tamba“ packte ein brisantes Thema an. Y’akoto sang vom Leid von Kindersoldaten, und das Jahre bevor die aktuelle Flüchtlingswelle uns unmittelbar mit der Lebensrealität vieler Jugendlicher in den Kriegsgebieten unserer Welt konfrontierte. Der Song und das dazugehörige Debüt-Album „Babyblues“ fanden trotzdem – oder gerade deswegen – bei Kritikern und Fans gleichermaßen Anklang. 2014 erweiterte sie ihr Repertoire um das Zweitlingswerk „Moody Blues“. Zwischen bluesigen Balladen und tanzbaren Funknummern nahm sie immer wieder den roten Faden der Message Soul auf: Etwa in dem auf die Bootsflüchtlinge im Mittelmeer anspielende „Off The Boat“ oder in „Mothers and Sons“, einem Song für alle vaterlosen Familien. Als Folge wurde Y’akoto gleich zwei Mal für den ECHO in der Kategorie „Künstlerin National Rock/Pop National“ nominiert, von Medien als „eine Klasse für sich“ (Süddeutsche Zeitung) bezeichnet und spielte Supportshows für Künstler wie Erykah Badu, Nneka, Asa, Kwabs und Joy Denalane. Bei  den ESC Wettquoten 2019 wäre sie vermutlich auch heute noch ganz weit vorne.

Frida Kahlo als Inspiration

Wie aber klingt Y’akoto 2017? In welche Richtung ist sie gewachsen? Und was inspirierte sie für ihr neues Album „Mermaid Blues“? Y’akoto nennt hier bemerkenswerterweise die Lebensgeschichten von Muhammad Ali und der mexikanischen Malerin Frida Kahlo. Menschen, die trotz gewaltiger Widerstände keine Angst vor ihren eigenen Meinungen und Ideen hatten. Außerdem schätzt sie die afrobritische Schriftstellerin Zadie Smith und den amerikanischen Philosophen Noam Chomsky. Von ihnen habe sie gelernt, Dinge zu hinterfragen. Neugierig zu bleiben. „Ich konzentriere mich auf die, die mich verstehen“, sagt Y’akoto. „Ehrlicher künstlerischer Ausdruck in jeder Form ist nun mal schwierig, herausfordernd und aufreibend. Das ist Soul“. Dieser Wille, sich an seinen inneren Widersprüchen aufzureiben, prägt „Mermaid Blues“. Neben dem Berliner Produzenten Marek Pompetzki und dem frankokanadischen Erfolgsproduzenten Phil Greiss aus Paris, produzierte zum Großteil das schwedische Produzenten-Duo Stefan Örn und Johan Kronlund in den ART:ERY Studios in Stockholm den zwischen Blues, Neo-Soul und Ambient-Pop changierenden Sound. Y’akoto legt dazu einige ihrer intensivsten Gesangslinien hin. Ringt ihrer brüchigen, kehligen Stimme jede Menge Leidenschaft ab.

Die Musik wurde ihr in die Wiege gelegt

Da klagt Y’akoto in der melancholischen Piano-Ballade „Fool Me Once“ über das schmerzliche Festhalten an einer vergangenen Liebe. Und weiß doch, dass sie ihren eigenen Weg gehen muss: „We walk the line from point to point/ and if we’ll fall, we will fly…“, singt sie in „We Walk The Line“. Dass ihr Musiker-Vater – „er ist der beste Texter und Sänger der Welt“ – bei der Bridge zu diesem Song musikalisch ausgeholfen habe, passt da nur zu gut ins Bild: Schließlich, so die Sängerin, rufe sie ihn stets an, wenn sie im Studio nicht weiter wisse, das würde mehr bringen als sich irgendwelche MP3s anzuhören. Äußerst selbstbewusst kommt auch „Reception“ rüber, Y’akotos ureigener Revolutionssong: „Global chaos, but we stay tough/ no time to fake it, we can make it“.
Und dann ist da noch die andere Seite der Meerjungfrau: „Drink My Friend“ betört mit einem hypnotischen Frauenchor über einem Stampf-Rhythmus wie aus einem alten Worksong. Ein modernes Piratenlied? Oder sind es Sirenen, die die Männer an Bord betrunken machen, um das Schiff zu übernehmen? Einen ähnlich unheimlichen Flow entwickelt „Take Him Back“ mit seinem durchgehenden, treibenden Gitarren-Riff. Hier kommt die Mermaid an Land. Sie will einen Mann lieben. Aber entweder ist er nicht zu haben, oder sie will ihn nicht. Am Ende muss die Nixe zurück ins Meer. Dort wo das Wasser nur seinen ureigenen Gesetzen folgt. Denn der „Mermaid Blues“ ist mehr als Musik. Er ist eine Lebenseinstellung, die widerständige Kraft hinter Y’akotos „soul seeking music“.

Text: Warner Music
Foto: WMG

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